- So 6. Feb 2011, 19:59
#19311
Hallo Thorsten und alle anderen,
und danke erstmal für die ausführliche Antwort, die ich freudig kommentiere:
Für mich ist der finanzielle Wert eines Oldtimers durchaus relevant. Das Geld, das andere Leute in ein Eigenheim oder in eine Altersversorgung stecken, fliesst bei mir ins Alteisen. Daher kann und will ich mir nicht allzuviele kulturelle Sozialfälle ans Bein nageln, also Fahrzeuge, deren Instandstellungskosten den Marktwert stark übersteigen. Wenn meine kleine Sammlung eines Tages infolge meiner Endlichkeit auf den Markt kommt, möchte ich nicht, dass meine Familie in erster Linie staunt, wie wertlos (im finanziellen Sinn) all meine Bemühungen gewesen sind. Aber schlussendlich ist dies eine persönliche Frage, die auch einiges mit dem jeweiligen Einkommen zu tun hat.
Das Argument mir dem automobilen Kulturgut, das es zu schützen gilt, kann ich nicht nachvollziehen. Und noch viel weniger Verständnis habe ich für das ewige Gerangel um den sogenannten Originalzustand, der anscheinend vielen Liebhabern als der einzig Seligmachende gilt. Diese Denkensweise scheint mir heute recht originell, ich muss aber zugeben, dass ich mich in früheren Jahren auch zur Fraktion der Kulturgutbewahrer zählte. In erster Linie tat ich dies wohl, um meiner Spinnerei eine gewisse gesellschaftliche Legitimität zu verschaffen, und ganz sicher auch, um mich selber etwas wichtiger zu fühlen.
Heute halte ich das Thema der Originalitätsbewahrung von Oldtimern für stark überbewertet. Dafür führe ich gleich mehrere Argumente ins Feld:
- Es besteht in Sachen Oldtimermuseen ein Überangebot.
- Das Interesse am Thema Automobilgeschichte hält sich in stabilen Grenzen.
- Das Internet bietet dem Interessierten weitaus mehr Informationen als in Museen zu finden sind.
- Es wimmelt geradezu von privaten Oldtimersammlungen.
- So schön Oldtimer sein mögen, technisch relevant sind nur wenige davon.
- Der historische Sinn der ganzen Übung ist sehr fragwürdig.
Es liessen sich noch etliche Punkte anfügen, aber ich bleibe erstmal beim letzten hängen und erlaube mir, einiges zu hinterfragen. Zuerst mal ganz fröhlich: welcher Art der historischen Forschung sollte es denn dienlich sein, wenn alte Gebrauchsgegenstände im möglichst originalen Zustand erhalten werden ? Bei alter Architektur wird ja auch nicht abgerissen, was im Lauf der Zeit angebaut wurde. Aber die eigentliche Frage ist, was für einen wissenschftlichen Sinn das Ganze ergeben soll. Was sollen denn heutige oder kommende Wissenschaftler davon haben, wenn sie wissen, ob ab Werk damals blanke oder geschwärzte Schrauben an einem Fahrzeug verbaut wurden, oder ob eine Kühlerfigur nun original ist oder nicht ? Wissenschaftler stehen ja schon im Ruf der Korinthenkackerei, aber sie leben diese selten als Selbstzweck aus. Wirkliche Erkenntnisse könnte man ja vielleicht in Sachen Verhaltensforschung gewinnen, immerhin zeigt die Automobilgeschichte sehr schön, wie sich Ideen entwickeln, weiterentwickeln um dann irgendwann technisches Allgemeingut zu werden. Diese dahinterstehenden Mechanismen zu entschlüsseln könnte uns viel weiterbringen als jegliche Diskussion um Produktionsdetails irgendwelcher längst vergangener Fabriken.
Allerdings besitzen letztere einen hohen Anekdotenwert, was man von der Analyse unserer technikverbundenen Denkensweisen nicht unbedingt so sagen kann.
Jetzt muss ich mal noch eben widersprechen, wie es halt so meine Art ist. Zuerstmal möchte ich darauf hinweisen, dass die heutige Oldtimerszene ein extrem verzerrtes Bild der Vergangenheit präsentieren. Naturgemäss haben mehr Zweitwagen und Sportwagen überlebt, als normale Alltagsautos. Zudem verzerrt die heutige Marktsituation das Ganze nochmals erheblich, und so sieht man heute an Oldtimerveranstaltungen sehr viel Gleiches, meist Fahrzeuge, deren Ersatzteilsituation einen einfachen Einsatz und Unterhalt nach modernen Masstäben erlaubt. Ganz anders sieht es dann aber mit Fahrzeugen aus, deren Ersatzteile nur mit hohem Aufwand anzufertigen sind. Die sieht man trotz ihrer Anzahl fast nie im Einsatz.
Ob das jetzt besser oder schlechter ist, als wenn die dicke Hose entscheidet, sei dahingestellt.
Nun zur Alarmglocke. Benzin im Blut ist für mich unerlässlich um alte Motorfahrzeuge zu lieben. Aus obengenannten Gründen mache ich mir aber keine Gedanken, wenn einer dies auf seine eigene Art tut. Ich habe selber genügend alte Fahrzeuge, die vom Erfindungsgeist ihrer vielen Besitzer Zeugnis ablegen. Und ich halte daran fest: ohne uns Spinner, die das ganze Alteisen erstmal mit viel Liebe über sechzig Jahre bewahrt haben, in Zeiten, als dies gerne als Grund zur Einweisung in die Klapsmühle genommen wurde, könnten die Originalitätsfanatiker heute alte Prospekte wälzen. Und ehrlich gesagt befürchte ich, dass kommende Generationen sich eher für die Spinner unserer Tage interessieren werden, als für allzu genaue, aber unwichtige Daten.
Allerdings habe ich schon öfters festetellen müssen, dass gerade Menschen mit dem gedanklichen und geistigen Hintergrund für den rechten Umgang mit einem Zeitzeugen öfters ein kräftiges Defizit im vertieften und historisch korrekten Umgang mit Technik aufweisen. Aber mein Eindruck mag täuschen, es würde mich sogar sehr freuen.
Es war keineswegs polemisch gemeint, wenn ich die genannten Gerätschaften aufführte. Ich könnte die Liste noch verlängern, und alle diese Geräte sind bei genauerer Überlegung sehr wichtig für unseren sog. Fortschritt gewesen. Ich wage sogar zu behaupten, dass es wichtigere Dinge als das Automobil gab. Und wenn Du das Thema vom vorhin erwähnten Gesichtspunkt der Verhaltensforschung betrachtest, dann wirds erst richtig interessant.
Schliesslich muss ich Dir gleich nochmals widersprechen, man könnte schon fast meinen, ich mache dies extra. Aber das was Du als angemessene Restaurierung bezeichnest, ist etwas, worunter ich viel Arbeit verstehe, die keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Alleine das Aufbereiten des alten Schraubensatzes eines Autos kostet ein Vielfaches des Ersatzes durch neue. Instandstellung ohne Spuren ist meist mit sehr viel Aufwand verbunden. Ich habe gerade etwa zwanzig Arbeitsstunden in ein defektes altes Kugellager gesteckt, nur damit ich keinen Kompromiss mit einem modernen Lager eingehen musste. Wenn irgendwann einmal einer das Ausrücklager meiner Kiste zu sehen bekommt, wird er nicht einmal wissen, was da für ein Aufwand getrieben wurde. Aber, und das müsste Deinem Gedanken ja entgegenkommen: es ist immer noch das ursprüngliche Lager in einer unmöglichen Dimension verbaut, das damals ganz offensichtlich extra für diesen Zweck so gebaut wurde. Aber billiger wäre es allemal gewesen, ein neues anzupassen. Es wäre auch viel einfacher gewesen, alle Aluminiumteile kurz glasperlenstrahlen zu lassen. Statt stundenlang mühselig von Hand daran herumzuschrubbeln, aber die handgereinigten Teile sehen irgendwie authentischer aus.... Das ganze Zeug einfach gleich von vornherein auf ladenneu zu restaurieren wäre viel billiger gewesen und dürfte dies in den meisten anderen Fällen auch so sein. Ausserdem ist es technisch einfacher.
Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass nur besagte Spinner noch in der Lage sind, solche Maschinen auf historisch korrekte Art zu pflegen. Sobald diese Tätigkeit kommerziell wird, müssen Kompromisse mit der heutigen Arbeitssituation eingegangen werden. Wo früher ein Kugellager schnell einmal den halben Wochenlohn eines Arbeiters kostete, spielte es keine Rolle, ob ein Mechaniker ein paar Stunden länger an einem Bauteil arbeitete. Heute sind Kugellager billig und Mechaniker teuer, das einzige Gleichgebliebene dürfte ein gewisser Konkurrenzdruck unter den Werkstätten sein.
Allzuviel Tiefgründigkeit im Umgang mit unserem Kulturgut ist auch nicht gut. Sonst werden unsere Nachfahren irgendwann in ihrer eigenen Geschichte ersticken. Wäre eine Konzentrations aufs Wesentliche nicht die bessere Wahl ?
es grüsst
el Glatzo
und danke erstmal für die ausführliche Antwort, die ich freudig kommentiere:
Für mich ist der finanzielle Wert eines Oldtimers durchaus relevant. Das Geld, das andere Leute in ein Eigenheim oder in eine Altersversorgung stecken, fliesst bei mir ins Alteisen. Daher kann und will ich mir nicht allzuviele kulturelle Sozialfälle ans Bein nageln, also Fahrzeuge, deren Instandstellungskosten den Marktwert stark übersteigen. Wenn meine kleine Sammlung eines Tages infolge meiner Endlichkeit auf den Markt kommt, möchte ich nicht, dass meine Familie in erster Linie staunt, wie wertlos (im finanziellen Sinn) all meine Bemühungen gewesen sind. Aber schlussendlich ist dies eine persönliche Frage, die auch einiges mit dem jeweiligen Einkommen zu tun hat.
Das Argument mir dem automobilen Kulturgut, das es zu schützen gilt, kann ich nicht nachvollziehen. Und noch viel weniger Verständnis habe ich für das ewige Gerangel um den sogenannten Originalzustand, der anscheinend vielen Liebhabern als der einzig Seligmachende gilt. Diese Denkensweise scheint mir heute recht originell, ich muss aber zugeben, dass ich mich in früheren Jahren auch zur Fraktion der Kulturgutbewahrer zählte. In erster Linie tat ich dies wohl, um meiner Spinnerei eine gewisse gesellschaftliche Legitimität zu verschaffen, und ganz sicher auch, um mich selber etwas wichtiger zu fühlen.
Heute halte ich das Thema der Originalitätsbewahrung von Oldtimern für stark überbewertet. Dafür führe ich gleich mehrere Argumente ins Feld:
- Es besteht in Sachen Oldtimermuseen ein Überangebot.
- Das Interesse am Thema Automobilgeschichte hält sich in stabilen Grenzen.
- Das Internet bietet dem Interessierten weitaus mehr Informationen als in Museen zu finden sind.
- Es wimmelt geradezu von privaten Oldtimersammlungen.
- So schön Oldtimer sein mögen, technisch relevant sind nur wenige davon.
- Der historische Sinn der ganzen Übung ist sehr fragwürdig.
Es liessen sich noch etliche Punkte anfügen, aber ich bleibe erstmal beim letzten hängen und erlaube mir, einiges zu hinterfragen. Zuerst mal ganz fröhlich: welcher Art der historischen Forschung sollte es denn dienlich sein, wenn alte Gebrauchsgegenstände im möglichst originalen Zustand erhalten werden ? Bei alter Architektur wird ja auch nicht abgerissen, was im Lauf der Zeit angebaut wurde. Aber die eigentliche Frage ist, was für einen wissenschftlichen Sinn das Ganze ergeben soll. Was sollen denn heutige oder kommende Wissenschaftler davon haben, wenn sie wissen, ob ab Werk damals blanke oder geschwärzte Schrauben an einem Fahrzeug verbaut wurden, oder ob eine Kühlerfigur nun original ist oder nicht ? Wissenschaftler stehen ja schon im Ruf der Korinthenkackerei, aber sie leben diese selten als Selbstzweck aus. Wirkliche Erkenntnisse könnte man ja vielleicht in Sachen Verhaltensforschung gewinnen, immerhin zeigt die Automobilgeschichte sehr schön, wie sich Ideen entwickeln, weiterentwickeln um dann irgendwann technisches Allgemeingut zu werden. Diese dahinterstehenden Mechanismen zu entschlüsseln könnte uns viel weiterbringen als jegliche Diskussion um Produktionsdetails irgendwelcher längst vergangener Fabriken.
Allerdings besitzen letztere einen hohen Anekdotenwert, was man von der Analyse unserer technikverbundenen Denkensweisen nicht unbedingt so sagen kann.
Jetzt muss ich mal noch eben widersprechen, wie es halt so meine Art ist. Zuerstmal möchte ich darauf hinweisen, dass die heutige Oldtimerszene ein extrem verzerrtes Bild der Vergangenheit präsentieren. Naturgemäss haben mehr Zweitwagen und Sportwagen überlebt, als normale Alltagsautos. Zudem verzerrt die heutige Marktsituation das Ganze nochmals erheblich, und so sieht man heute an Oldtimerveranstaltungen sehr viel Gleiches, meist Fahrzeuge, deren Ersatzteilsituation einen einfachen Einsatz und Unterhalt nach modernen Masstäben erlaubt. Ganz anders sieht es dann aber mit Fahrzeugen aus, deren Ersatzteile nur mit hohem Aufwand anzufertigen sind. Die sieht man trotz ihrer Anzahl fast nie im Einsatz.
Ob das jetzt besser oder schlechter ist, als wenn die dicke Hose entscheidet, sei dahingestellt.
Nun zur Alarmglocke. Benzin im Blut ist für mich unerlässlich um alte Motorfahrzeuge zu lieben. Aus obengenannten Gründen mache ich mir aber keine Gedanken, wenn einer dies auf seine eigene Art tut. Ich habe selber genügend alte Fahrzeuge, die vom Erfindungsgeist ihrer vielen Besitzer Zeugnis ablegen. Und ich halte daran fest: ohne uns Spinner, die das ganze Alteisen erstmal mit viel Liebe über sechzig Jahre bewahrt haben, in Zeiten, als dies gerne als Grund zur Einweisung in die Klapsmühle genommen wurde, könnten die Originalitätsfanatiker heute alte Prospekte wälzen. Und ehrlich gesagt befürchte ich, dass kommende Generationen sich eher für die Spinner unserer Tage interessieren werden, als für allzu genaue, aber unwichtige Daten.
Allerdings habe ich schon öfters festetellen müssen, dass gerade Menschen mit dem gedanklichen und geistigen Hintergrund für den rechten Umgang mit einem Zeitzeugen öfters ein kräftiges Defizit im vertieften und historisch korrekten Umgang mit Technik aufweisen. Aber mein Eindruck mag täuschen, es würde mich sogar sehr freuen.
Es war keineswegs polemisch gemeint, wenn ich die genannten Gerätschaften aufführte. Ich könnte die Liste noch verlängern, und alle diese Geräte sind bei genauerer Überlegung sehr wichtig für unseren sog. Fortschritt gewesen. Ich wage sogar zu behaupten, dass es wichtigere Dinge als das Automobil gab. Und wenn Du das Thema vom vorhin erwähnten Gesichtspunkt der Verhaltensforschung betrachtest, dann wirds erst richtig interessant.
Schliesslich muss ich Dir gleich nochmals widersprechen, man könnte schon fast meinen, ich mache dies extra. Aber das was Du als angemessene Restaurierung bezeichnest, ist etwas, worunter ich viel Arbeit verstehe, die keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Alleine das Aufbereiten des alten Schraubensatzes eines Autos kostet ein Vielfaches des Ersatzes durch neue. Instandstellung ohne Spuren ist meist mit sehr viel Aufwand verbunden. Ich habe gerade etwa zwanzig Arbeitsstunden in ein defektes altes Kugellager gesteckt, nur damit ich keinen Kompromiss mit einem modernen Lager eingehen musste. Wenn irgendwann einmal einer das Ausrücklager meiner Kiste zu sehen bekommt, wird er nicht einmal wissen, was da für ein Aufwand getrieben wurde. Aber, und das müsste Deinem Gedanken ja entgegenkommen: es ist immer noch das ursprüngliche Lager in einer unmöglichen Dimension verbaut, das damals ganz offensichtlich extra für diesen Zweck so gebaut wurde. Aber billiger wäre es allemal gewesen, ein neues anzupassen. Es wäre auch viel einfacher gewesen, alle Aluminiumteile kurz glasperlenstrahlen zu lassen. Statt stundenlang mühselig von Hand daran herumzuschrubbeln, aber die handgereinigten Teile sehen irgendwie authentischer aus.... Das ganze Zeug einfach gleich von vornherein auf ladenneu zu restaurieren wäre viel billiger gewesen und dürfte dies in den meisten anderen Fällen auch so sein. Ausserdem ist es technisch einfacher.
Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass nur besagte Spinner noch in der Lage sind, solche Maschinen auf historisch korrekte Art zu pflegen. Sobald diese Tätigkeit kommerziell wird, müssen Kompromisse mit der heutigen Arbeitssituation eingegangen werden. Wo früher ein Kugellager schnell einmal den halben Wochenlohn eines Arbeiters kostete, spielte es keine Rolle, ob ein Mechaniker ein paar Stunden länger an einem Bauteil arbeitete. Heute sind Kugellager billig und Mechaniker teuer, das einzige Gleichgebliebene dürfte ein gewisser Konkurrenzdruck unter den Werkstätten sein.
Allzuviel Tiefgründigkeit im Umgang mit unserem Kulturgut ist auch nicht gut. Sonst werden unsere Nachfahren irgendwann in ihrer eigenen Geschichte ersticken. Wäre eine Konzentrations aufs Wesentliche nicht die bessere Wahl ?
es grüsst
el Glatzo